Jeschke, Wolfgang (Hrsg.)
Das Science Fiction Jahr 2001
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»Das Science Fiction Jahr 2001« von Jeschke, Wolfgang (Hrsg.)
Mit "Das Science Fiction Jahr" (Ausgabe 2001) liegt mittlerweile
der 16. Band der sehr interessanten und umfangreichen Jahrbücher
des Heyne Verlages vor, welches wie immer von Wolfgang Jeschke herausgegeben
wurde. Im Editorial wird dem Leser dieses Genres wieder etwas Mut hinsichtlich
der Zukunft der Science Fiction Literatur gemacht, nachdem die Vorjahre
weniger hoffnungsvoll aussahen. Gleichzeitig bleibt natürlich abzuwarten,
welchen Stellenwert die Science Fiction und die Fantasy bei dem neuen Besitzer,
der Axel Springer Verlagsgruppe, behalten werden.
Die ersten 220 Seiten geben einen Rückblick auf die deutsche, amerikanische
und britische SF-Szene der Jahre 1999/2000. Es ist immer wieder erstaunlich,
wie viele Bücher mit phantastischem Inhalt allein in Deutschland veröffentlicht
wurden. Wer hätte vermutet, dass im Jahr 1999 1803 Bücher editiert
wurden, die mehr oder weniger diesem Genre zugerechnet werden können.
Bei der genaueren Betrachtung der einzelnen Verlage wird wiederum die Marktführerstellung
des Heyne Verlages bei der phantastischen Literatur deutlich. Auf die schon
fast üblichen Verspätungen wird hingewiesen. Allerdings überrascht,
dass hinsichtlich des "Rad der Zeit" Zyklusses ein exakter Terminkurs
erkannt wird. Dies trifft in gewisser Weise auf Band 25 zu, der aber bei
der Erstellung dieses Buches noch nicht aktuell gewesen sein kann, doch
gab es bei Band 24 eine nicht unerhebliche Verspätung. Außerdem
ist es dem Verlag "gelungen", aus den versprochenen 2 Bände,
wieder einen Dreiteiler zu zaubern. Leider ohne Angabe von Gründen
wird darauf hingewiesen, dass in der nächsten Zeit z. B. keine Bücher
von John Norman erscheinen werden. An anderer Stelle wird der Leser damit
überrascht, dass der gute, wenn auch sicher anspruchsvolle Zyklus "Die
Chroniken von Chung Kuo" gänzlich abgebrochen wurde. Wenig originell
ist dabei, dass dies auch noch bei einem "Halbband" erfolgte.
Ob das die Leser begeistert, ist fraglich. Das man beim Heyne Verlag noch
den Conan-Zyklus erwähnt, verwundert etwas, denn dieser wird mittlerweile
mehr als Stiefkind behandelt.
Ansonsten erhält man einen wunderbaren Überblick, über
all das, was in Deutschland veröffentlicht wurde. Ganz toll, doch
sicher nicht realisierbar wäre es, wenn es mehr Hinweise gäbe,
welche Titel im Erscheinungsjahr dieses Almanachs voraussichtlich in den
Hauptverlagen erscheinen sollen. Beim Durchlesen der Szenen in Großbritannien
und den USA werden auch Hoffnungen auf tolle Neuerscheinungen geweckt. Und
man muss auch die Leistungen der deutschen Verlage bewundern, denn so mancher
in diesem Jahrbuch präsentierte Titel hat den Weg in unsere Buchhandlungen
schon gefunden. Ein gutes Beispiel ist "The Voyage of Jerle Shannara:
The Ilse Witch" von Terry Brooks (deutsch: "Die Hexe von Shannara").
Ganz hervorragend findet der Rezensent die Hinweise auf die vielfältigsten
Internet-Aktivitäten. Diese Rubrik wird sicher in den folgenden Jahren
ausgebaut werden müssen.
Bei den verliehenen Preisen mag sich jeder Leser selbst einen Überblick
verschaffen. So mancher erster Preis vermag vielleicht sogar zu überraschen.
Der Rezensent hat auf keinem Fall erwartet, dass gerade "Atlantis"
von Stephen King den Deutschen Phantastik Award 2000 als bester ausländischer
Roman erhält.
Wie immer bei Bewertungen wird man auch bei der Einschätzung der phantastischen
Filmszene unterschiedlicher Meinung sein. Dass man "Space Cowboys"
zum besten SF-Film des Jahres 2001 gewählt hat, ist in gewisser Weise
nachzuvollziehen. Vieles was man in diesem Zeitraum sehen konnte, enthält
wenig Neues. Doch dies kann man auch gar nicht verlangen. Meiner Meinung
nach hätte "The Cell" nicht unbedingt so schlecht bewertet
werden müssen.
Lesenswert besonders für Interessenten sind die Rubriken Science Fiction-Hörspiele
sowie Computerspiele. Gerade der Abschnitt Hörspiele überrascht,
was für hervorragende Produktionen es hier gibt. Sehr interessant scheint
"Die dritte Zivilisation" von Arkadi und Boris Strugazki gewesen
zu sein.
Zu diesen beiden wirklich genialen Autoren, von denen leider Arkadi viel
zu früh verstarb, gibt es in diesem Buch eine absolut zu empfehlende
Biographie von Boris Strugazki. Es ist köstlich, zu lesen, dass sich
die beiden Autorenbrüder nie zu einer plausiblen Erklärung durchringen
konnten, wieso der Held Gorbowski, der schon in einem ihrer frühen
Bücher umkam, später in mehreren Bücher agiert.
In der Rubrik "Über Science Fiction" ist besonders auf den
Beitrag "An Bord der goldenen Teufelsgaleere" hinzuweisen. Hier
erhält man einen gelungen Querschnitt hinsichtlich der polnischen phantastischen
Literatur der 90er Jahre, die sich mit apokalyptischen Visionen befasst.
Man bekommt sofort Lust, die Erzählung "Die goldene Galeere"
von Jacek Dukaj zu lesen.
Ein ganz wichtiger Beitrag wurde von Thomas M. Disch mit dem Artikel
"Science Fiction als Religion" geleistet. Hier erhält
der Leser einen guten Einblick zu einigen wenigen Autoren, die dieses Genre
der Science Fiction berühren. Lobenswert ist hierbei die kritische
und doch fundierte Auseinandersetzung mit dem Werk von Ron. L. Hubbard.
Die "Lobgesänge auf Walter M. Miller jr." in dem Abschnitt
Autoren und die Rezensionen der Bücher Lobgesang auf Leibowitz"
und "Ein Hohelied auf Leibowitz" dieses Autors werden den Rezensenten
sicher veranlassen, sich diese Meilensteine der Science Fiction zu besorgen.
Zu seiner Schande muss der Rezensent eingestehen, dass er den Namen Karel
Thole überhaupt nicht kannte. Dabei war dies ein hervorragender Maler
und Graphiker, dem wir heute so manch wunderbares Titelbild zu verdanken
haben.
Ein Satz aus Norman Spinrads "Transformationskrise" in
der Rubrik Science Facts bereitet dem Rezensenten etwas Bauchschmerzen.
Auf Seite 687 steht der Satz: "Wenn sich die Entwicklung der Atomwaffen
um ein bis zwei Jahre verzögert hätte, wenn die Sowjetunion und
die Vereinigten Staaten ihre nuklearen Arsenale erst im Kalten Krieg aufgebaut
hätten, ohne aus den relativ billigen Lektionen von Hiroshima und Nagasaki
lernen zu können, so hätte das vielleicht im Großen und
Ganzen dasselbe Ergebnis gehabt." Auch wenn aufgrund des Kontextes
klar ist, worum es Spinrad geht, die Bombenabwürfe als "relativ
billige Lektionen" zu bezeichnen, erscheint etwas unglücklich.
Zum damaligen Zeitpunkt gehörten diese Atomwaffen zu den stärksten
Vernichtungsmitteln, die vorhanden waren. Und wie mag ein Bewohner dieser
beiden Städte darüber denken?
Unterhaltsam und lehrreich ist das Kapitel zur "Phantastischen Wissenschaft"
von Hartmut Kasper. Man muss wirklich herzhaft lachen, wenn auf solch
"wichtige" Untersuchungen verwiesen wird, die sich beispielsweise
mit dem "Einfluss von Erdnussbutter auf die Erdrotation" befassen.
In der umfangreichen Rubrik Bücher durfte natürlich nicht "Harry
Potter und der Feuerkelch" fehlen und das Buch scheint wirklich lesenswert
zu sein. Mit der in dem Almanach vorgenommenen Rezensionsauswahl wird insgesamt
ein breites Spektrum der phantastische Literatur abgedeckt.
Für Sammler, Antiquariate und an Science Fiction Literatur interessierten
Lesern gibt es wieder eine umfassende Bibliographie, der bei Heyne erschienen
phantastischen Literatur im Taschenbuch des Jahres 2000.
Mit der Rezension des Buches "Das Science Fiction Jahr 2001"
konnte bei weitem nicht der ganze Inhalt dieses unbedingt zu empfehlenden
Buches abgedeckt werden. Sicher hätte auch etwas zu den Aussagen
zu Herberts "Wüstenplaneten" ausgeführt werden können,
doch sicher ist es für jeden Leser interessant, eigene Entdeckungen
vorzunehmen. Und dafür gibt es gerade hier die vielfältigsten
Möglichkeiten. Das Buch spricht alle die an, die sich für die
Science Fiction Literatur und ihr Umfeld interessieren und die gern ab und
zu hinter die Kulissen schauen wollen.
Nicht zu bestreiten ist, dass dieses Buch mit 39,02 DM sehr teuer ist.
Hier sind sicher gleich mehrere Schmerzgrenzen hinsichtlich des Taschenbuchpreises
überschritten worden. Im Vergleich zum Vorjahr ist der Umfang sogar
50 Seiten reduziert worden, und leider wurden diesmal keine Farbtafeln beigefügt.
Nicht sehr glücklich erscheint dem Rezensenten die Titelwahl. Warum
steht auf dem Einband "Das Science Fiction Jahr 2001"? Der Titel
suggeriert einen Ausblick auf das aktuelle Jahr. Stattdessen wird bis zu
zwei Jahre zurückgeblickt. Auf dem Titelblatt im Buch hat man das Problem
schon wesentlich besser gelöst. Die Jahreszahl sollte nicht in den
gleichen Lettern wie der eigentliche Titel angegeben werden.
Trotz dieser kleinen Einschränkungen ist auch dieser 16. Band des Jahrbuches
ein wichtiges und prinzipiell unentbehrliches Nachschlagewerk, und es stellt
gleichzeitig ein wirklich gute Ergänzung der Bibliographie der Science
Fiction und Fantasy Literatur des Heyne Verlages dar.
Dieses Almanach, das hoffentlich nicht den letzten Teil darstellt, wird
mit einer guten 9 bewertet.