Phillip P. Peterson
Vakuum
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»Vakuum« von Phillip P. Peterson
Auf einer Mondmission wird ein außerirdisches Raumschiff entdeckt, das sich mit großer Geschwindigkeit dem Sonnensystem nähert. Als es die Erde passiert, sendet es eine Botschaft, de ausschließlich aus physikalischen Formeln besteht. Während die Menschen mit Hochdruck an der Entschlüsselung arbeiten, geschehen andere Seltsamkeiten. Ein hochsensitives Teleskop am Südpol verzeichnet eine rätselhafte Häufung von Neutrinos, die alle aus Richtung der Hyaden kommen. Als hätte eine Supernova stattgefunden, für die es ansonsten aber keinerlei Belege gibt. Und kurz darauf verschwinden die ersten Sterne am nächtlichen Himmel.
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Aufgrund des Klappentextes meinte ich schon eine annähernde Vorstellung davon zu haben, was mich storytechnisch erwarten könnte. Gerechnet hatte ich mit einer spannenden Geschichte, in der es um Außerirdische, rätselhafte Nachrichten und eine abenteuerliche Raumschiffsexpedition geht, die den Grund der verschwundenen Sterne zu ermitteln versucht. Halt irgendwelche Action auf der Erde und im All. Aber es kam dann doch alles ein wenig anders.
Action sucht man in dem Buch im Grunde genommen vergebens, ebenso die Außerirdischen. Die schauen zwar kurz in unserem Sonnensystem vorbei und schicken eine ominöse Botschaft, sind dann allerdings genauso schnell wieder verschwunden wie sie gekommen sind – waren quasi nur auf der Durchreise. Blieb also noch die vermutete Raumschiffsmission ins All. Aber Pustekuchen, auch die kommt nicht drin vor. Den Grund der erhöhten Neutrinostrahlung ermittelt man auf der Erde.Und das Raumschiff, auf den dann eben doch noch ein Teil der Handlung spielt, hat mit dem Anfangsproblem der Geschichte nichts zu schaffen.
Und spannend? Also, ganz ehrlich, so richtig spannend ist die Geschichte nun eigentlich auch nicht. Bleibt also die Frage, warum ich dem Buch dennoch 5 Sterne gebe. Die Antwort ist einfach: Die Geschichte hat mich ungemein gefesselt, die Lesezeit verrann wie im Flug – kurzum: für mich ein echter Pageturner. Das mal wieder der Untergang der Erde bevorsteht ist nun wirklich nichts neues mehr, allerdings zaubern in der Regel letztendlich dann doch immer wieder irgendwelche genialen Wissenschaftler, Nerds oder Militärs eine überraschende Lösung aus dem Hut, um den Untergang doch noch abzuwenden. Aber hier nicht, denn der Untergang ist unausweichlich.
Die Art des Untergangs mutet auf den ersten Blick für einen Laien wie mich, skurril an. Ein Vakuumzerfall soll also das Ende der Welt heraufbeschwören. Cool irgendwie, oder? Das faszinierende an dieser Sache ist dabei die Unausweichlichkeit mit der die „Schockwelle“, hervorgerufen durch den Zerfall, mit Lichtgeschwindigkeit auf die Erde zurast. Alles was sich ihr in den Weg stellt wird zerstört, egal ob Planet, Stern oder Mond. Die Menschheit hat rund 2 Jahre Zeit, um sich auf ihr Ende vorzubereiten. So lange dauert es, bis die Schockwelle auch unser Sonnensystem erreicht. Während dieser Zeit verschwinden immer mehr Sterne am Himmel, ausgelöscht durch den Vakuumzerfall, den wohl nur ein Quantenphysiker so richtig begreifen und erklären kann.
So wie ich es verstanden habe, entspricht unsere aktuelle Vakuumenergie nicht der niedrigsten möglichen Energie, sondern stellt nur ein sogenanntes lokales Minimum dar. Es ist also ein falsches Vakuum. Würde man diesem Vakuum nun sehr viel Energie zuführen, um es über die Wände des lokalen Minimums zu katapultieren, könnte es vielleicht in den echten Grundzustand „herunterrutschen“ und somit zu einem echten Vakuum werden. Den Übergang nennt man Vakuumzerfall. Dabei wird die Energiedifferenz zwischen den beiden Zuständen frei. Sollte dieser Vorgang in Gang kommen, könnte die frei gewordene Energie auch den umgebenden Raum zum Vakuumzerfall anregen. Dann würde sich dieser Zerfall mit Lichtgeschwindigkeit kugelförmig ausbreiten. Eine Theorie, die für die heutige Wissenschaft durchaus im Bereich des Möglichen liegt.
Während sich also die Menschheit auf ihren Tod vorbereitet, mit allem was dazu gehört, wie etwa Plünderungen, Vergewaltigungen, Rebellionen, zivilem Ungehorsam und Selbstmord, arbeitet eine kleine Elite an einem Raumschiff, um die Erde vor deren Auslöschung zu verlassen – mit rund 2000 Leuten an Bord. Dieses Raumschiff müsste ebenfalls mit Lichtgeschwindigkeit reisen können, um zu verhindern, dass der Vakuumzerfall es einholt und ebenfalls vernichtet. Quasi bis zum Ende aller Zeiten wäre das Raumschiff mit den wenigen Überlebenden an Bord auf der Flucht, dürfte niemals anhalten und würde ein sterbendes Universum hinter sich lassen. Allein schon diese Ausgangsbasis hat mich absolut fasziniert. Wie wahrscheinlich es wäre, solch ein Raumschiff innerhalb von rund 1,5 Jahren tatsächlich bauen zu können, lasse ich mal dahingestellt. Um das zu beurteilen bin ich nicht kompetent genug, aber vieles klingt durchaus logisch, vieles an den Haaren herbeigezogen. Einiges davon jedoch wurde bereits vor Jahren wissenschaftlich erwogen, ist also keine Erfindung des Autors.
Die Geschichte hat zwei völlig unterschiedliche Handlungsstränge und -zeiten die immer wieder abwechselnd erzählt werden. Einmal den, der die Geschichte auf der Erde in der Jetztzeit erzählt und in dem der Bau des Raumschiffs im Mittelpunkt steht. Der andere spielt offensichtlich Jahrhunderte oder -tausende in der Zukunft und berichtet von dem Schicksal eines recht primitiven Eingeborenenstammes. Als Leser wird einem natürlich schnell klar, dass der zweite Strang die Zukunft der Menschen weitererzählt, die sich von der Erde retten konnten und die nun an Bord des Raumschiffs in die Primitivität zurückgefallen sind. Damit nimmt Peterson allerdings das Ende der ersten Geschichte vorweg, nämlich ob den Menschen die Flucht vor dem Vakuumzerfall gelingt. Ich hätte mir den zweiten Strang jedoch lieber am Ende der Geschichte gewünscht, also als logische Fortsetzung.
Einige der Charaktere sind anfangs zwar ein bisschen klischeehaft, durchleben aber im Lauf der Geschichte eine Wandlung. Sehr deutlich wird das an dem Astronauten Curtis, der sich vom Frauenheld zu einem ernsthaften Menschen wandelt und der eine folgenschwere Entscheidung trifft. Auch Präsident Gorman muss solche Entscheidungen treffen. Als Leser muten diese einem als ungemein hart und brutal an, sind aber dennoch folgerichtig und sichern so das Leben der letzten Menschen.
Fazit
Eine für mich rundum gelungene und faszinierende Geschichte. Manchmal habe ich mich gefragt, wie ich wohl reagieren würde, wenn das Ende der Welt bevorsteht und ich meinen genauen Todeszeitpunkt kennen würde. Die Schlichtheit, mit der einer der Hauptcharaktere das Ende erlebt, ist irgendwie ergreifend. Mit einem Flackern sieht er Jupiter verschwinden, bevor die Schockwelle rund 30 Sekunden später auch „ihn“ auslöscht. Seine letzten Worte gelten seiner Frau: „Ich liebe dich.“ Und dann ist da nichts mehr, nur noch Leere.