Day ist ein Unruhestifter, ein Störer des Systems, der dringend eleminiert werden muss. Dies denkt zumindest June, nachdem er ihren Bruder Metias ermordet hat. Mord stand zwar bisher nicht auf seinem Plan, aber alles kann sich ändern. Verbissen macht sich June, das einzige Kind, welches jemals beim Großen Test die volle Punktzahl erreichte, daran, Day aufzuspüren und zu vernichten. Doch als sie ihm endlich gegenübersteht muss sie erkennen, dass nichts ist, wie es scheint. Ihr Weltbild gerät ins wanken und sie begibt sich in Lebensgefahr, um das zu schützen, was sie liebt.

Das Cover ist in strahlendem Weiß gehalten, mittendrauf prangt das Zeichen der Republik. Es ist sehr minimalistisch und dadurch für mich wunderschön gestaltet. Es verrät nichts und ist doch aussagekräftiger, als es ein aufwendiges Bild je sein könnte.

Marie Lu entführt ihre Leser in eine schreckliche Zukunft. Das Land ist nicht nur gespalten in die Patrioten und die Republik, sondern wird auch noch von einem unbarmherzigen Herrscher, dem Elektor, tyrannisiert. Die Kluft zwischen Arm und Reich ist unüberwindbar. Während die einen in unvorstellbarem Luxus schwelgen, fristen die anderen ein erbarmungswürdiges Leben voller Arbeit, Dreck, Leid und Krankheit. Diese Gegensätze sind der Autorin sehr gut gelungen und halten den Leser gefangen in einer Mischung aus Spannung, Entsetzen und Mitleid. Eine Spirale der Gewalt zieht durch die Sektoren, die auch vor mir nicht halt gemacht hat und mich unbarmherzig mitriss.

Sehr interessant wird das Leben in der Republik geschildert. Auf der einen Seite die erbitterte Armut und die Arbeit der Armen, die sich anscheinend bis zum Tode abrackern müssen, um halbwegs anständig leben zu können. Von provozierten Krankheiten gequält und von bestechlichen Polizisten schickaniert. Und auf der anderen Seite die Reichen, die wirklich alles haben. Ihr Leben wird nicht ganz so ausführlich geschildert, was ich schade fand, da dann der Kontrast stärker gewirkt hätte. In diesem ganzen unorganisiert wirkenden Chaos muss jedes Kind zu dem Großen Test. Dort werden sie in Sport, mündlichen und schriftlichen Fragen getestet, um ihren weiteren Lebensweg zu beschließen. Klar ist, dass die Armen keine Chance haben und ihre Ergebnisse gefälscht werden. Keine Chance, der Unterdrückung zu entkommen. Keine Hoffnung, auf ein besseres Leben.
Schade fand ich, dass Marie Lu nicht näher auf den Zwist zwischen der Republik und den Patrioten eingeht. Es gibt die Patrioten und sie bekämpfen das System, aber das Warum konnte sich mir nicht erschließen. Es scheint eine verschüttete, verlorengegangen Geschichte zu geben, die zwar angerissen, aber nicht näher erläutert wird. Schade, aber gleichzeitig ein weiterer Grund, mich auf den nächsten Teil zu freuen!

Die beiden Protagonisten June und Day wirken kraftvoll, stark und zielstrebig. Und doch auch leider etwas farblos, denn eine wirkliche Bindung konnte ich zu keinem der beiden aufbauen. Dazu hat mir irgendwie der Tiefgang gefehlt. Days Leben verläuft von Anfang an in Armut und Gewalt. Dies prägt ihn und er entwickelt sich genauso, wie man es erwarten würde. Mit June, die in Reichtum, Wohlstand und sehr behütet aufwuchs, ist es fast ähnlich, auch wenn es bei ihr spannend zu beobachten war, wie sie umdenkt und langsam aber sicher eine andere Sichtweise auf die Welt akzeptiert, bzw. zulässt. Trotzdem denke ich, dass in den beiden Charakteren noch sehr viel Potential für weitere Bände steckt und ich würde sehr gerne ihren weiteren Lebensweg verfolgen.

Mein Fazit
Ein interessanter und packender Jugendroman, nicht nur für die Jugend!