„Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen“. Zu dieser Erkenntnis kam Matthias Claudius vor mittlerweile rund 240 Jahren in seinem Werk
Urians Reise um die Welt. Um wie viel mehr sollte diese Erkenntnis für jemanden gelten, der seinen Protagonisten nicht nur die irdische Welt, sondern vielmehr eine außerirdische Welt, ein phantastisches und surreal anmutendes Konstrukt, bereisen lässt. Ein Konstrukt, das rund zweihundert Millionen mal so groß wie unsere Erde ist, von einer außerirdischen Vogelrasse erbaut wurde und sich mit Hilfe eines Sonnenantriebs durch das Weltall bewegt. Schwindlig sollte einem bei dem Gedanken werden was entstehen könnte, wenn man das Potential, das in solch einer Geschichte steckt, auch nur ansatzweise ausschöpfen würde. Aber könnte, sollte, hätte hin und her,
das Leben ist kein Konjunktiv wie Lizzy Tewordt in einem ihrer Gedichte schon anmerkte.
Dabei fing doch alles so gut an. 436 Menschen machen sich an Bord des Raumschiffs SunSeeker auf, um einen rund 45 Lichtjahre entfernten Planeten namens Glory anzusteuern. Glory, gesegnet mit Meeren, Wäldern und einer für uns Menschen geeigneten Biosphäre, verheißt eine Zukunft, einen Neuanfang fernab der schwer gebeutelten Erde. Angetrieben wird die SunSeeker durch einen Bussardkollektor, ihre Passagiere befinden sich im Kryoschlaf. Lediglich eine zweiköpfige Wachmannschaft, die alle paar Jahre durch eine neue abgewechselt wird, überwacht den Jahrhunderte dauernden Flug. Als eine dieser Wachmannschaften eines Tages mit einer unvorstellbaren Konstruktion konfrontiert wird, lässt diese den Kommandanten und den Chefwissenschaftler aus dem Kryoschlaf holen.
Bei dieser Konstruktion handelt es sich um eine Sonne, die eine Art Schale mit einem Loch in der Mitte, durch die ein Plasmastrahl von der Sonne führt, hinter sich herzieht. Der Plasmastrahl ist quasi der Antrieb, der das Konstrukt, von den Menschen nur Schalenwelt genannt, durch den Weltraum bewegt. Beide Massen, Sonne und Schalenwelt, sind durch Gravitation und durch elektrodynamische Kräfte aneinander gebunden. Alles in allem, hat dieses Konstrukt die Ausmaße eines Sonnensystems. Da zudem der Antrieb an Bord der SunSeeker nicht ganz so effektiv arbeitet wie man sich das von ihm erhofft hat und damit eine Verlängerung der Reisedauer verbunden ist, werden so langsam aber sicher die Lebensmittel knapp. Man beschließt also zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen und schickt ein Team auf die Schalenwelt. Dieses Team soll die Schalenwelt erforschen und zudem dafür sorgen, dass die Vorräte an Bord wieder aufgefrischt werden.
Bis hierher war die Geschichte durchaus interessant, gut geschrieben und mit der Verheißung versehen, wirklich etwas interessantes erleben zu dürfen. Was folgt, ist leider eine Ausgeburt an Langeweile und Uninspiriertheit. Möglicherweise hat das Autorenduo auch gehofft, Larry Nivens einstmaligen Erfolg mit der
Ringwelt Reihe kopieren und einen neue Coup landen zu können. Was einmal geklappt hat, muss jedoch nicht zwangsläufig noch einmal klappen. Zu ähnlich sind sich beide Erzählungen in ihrem Ablauf, als das
Himmelsjäger hier noch großartig punkten könnte. Vor
altem Wein in neuen Schläuchen wurde bereits schon in der Bibel gewarnt.
Relativ spannungsarm stolpern die beliebig austauschbaren Protagonisten über das doch eigentlich so phantastische Szenario. Auch wenn es sich um eine Verfolgungsjagd handelt, die Erbauer der Schalenwelt wollen die Störenfriede von der Erde beseitigen, kommt keine Spannung, keine Atmosphäre auf. Das liest sich lauwarm und macht keine wirkliche Lust darauf am Ball zu bleiben. Ein Pageturner ist was anderes. Unwillkürlich stellt man sich die Frage, warum eine so hochentwickelte Rasse nicht in der Lage ist, die Primitivlinge von der Erde zu fangen. Auch das anfangs so ziellose herumirren von Cliffs Gruppe ist nicht nachvollziehbar. Was will man eigentlich genau? Den Verfolgern entkommen, die Schalenwelt erkunden oder eine Möglichkeit suchen wie man sie wieder verlassen kann?
Auch die Charaktere lassen sehr zu wünschen übrig. Sie sind oberflächlich ausgearbeitet, wirken eindimensional und haben keinen Hintergrund. Man kennt zwar ihre Namen und ihre Aufgaben, mehr aber auch nicht. Ob sie bei der Verfolgungsjagd nun sterben oder nicht, was soll’s. Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen. Sie sind alle austauschbar und können zur Not von den noch über 400 Eingefrorenen in den Kryokammern problemlos ersetzt werden.
Aber, ich will hier auch nicht den Stab über das Autorenduo brechen, da ich beide im Grund genommen sehr gerne lese und auch sehr schätze. Das Grundgerüst ihrer Geschichte stimmt, auch wenn es sich nur um eine Kopie der
Ringwelt handelt. Die Geschichte birgt noch irrsinnig viel Potential und ist noch nicht komplett erzählt, da es sich bei
Himmelsjäger (OT: Bowl of heaven) um den ersten Band eines Zweiteilers handelt. Das die Erbauer der Schalenwelt etwas zu verbergen haben, wird im Verlauf der Story klar. Auch könnte es noch eine Rolle spielen, dass besagte Schalenwelt vor langer Zeit einmal die Nähe des heimischen Sonnensystems kreuzte. Es gibt noch genug offene Fragen die zu beantworten sind. Da ich beiden Autoren eine deutliche Steigerung zutraue, wird auch der Nachfolgeband
Sternenflüge früher oder später von mir gelesen werden. Hoffentlich mit mehr Freude.
Wer von den beiden Autoren selber etwas zu der Entstehungsgeschichte der Schalenwelt erfahren möchte, oder auch nur ein Bild davon sehen will, wird hier fündig.
http://www.gregorybenford.com/uncategorized/bowl-of-heaven-is-published/