Elspeth Cooper
Die Lieder der Erde
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»Die Lieder der Erde« von Elspeth Cooper
Der junge Gair wird der Hexerei angeklagt: Nach Folter und Isolationshaft in völliger Dunkelheit wird er zu seinem Prozess geführt. Es steht so gut wie fest, dass er zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt werden wird. Doch das Wunder geschieht, der Präzeptor des Mutterhauses (in dem Gair ausgebildet wurde, bis er seine magischen Fähigkeiten nicht länger verbergen konnte), mildert sein Urteil ab: er wird als Magier gebrandmarkt, aus der Kirche ausgeschlossen und aus der Diözese verbannt. Bis zur Abenddämmerung muss er sie verlassen haben, sonst wird das Todesurteil doch noch vollstreckt - in Gairs Zustand wäre das für ihn alleine kaum zu bewältigen. Doch da kommt ihm ein Unbekannter zur Hilfe: Alderan verhilft Gair zur Flucht und verspricht, ihn an einen Ort zu bringen, wo er seine Fähigkeiten ausbilden kann und wo die Kirche keinen Einfluss hat.
Hier beginnt für Gair ein Werdegang, von dem er nicht einmal wusste, dass er möglich ist. Aber auf diesem Weg lauern auch große Gefahren.
"Die Lieder der Erde" ist Elspeth Coopers Erstlingswerk und laut Verlag "der Auftakt zu einem faszinierenden Fantasy-Epos". Ausgehend vom Originaltitel "Songs of the Earth - Wild Hunt Trilogy 1" handelt es sich hierbei also um den Auftaktband einer Trilogie.
Das Konzept "Jugendlicher Held wird aus großer Gefahr gerettet und lernt seine Bestimmung kennen" ist nicht unbedingt neu, aber es ist in diesem Buch schön umgesetzt. Nicht so schön fand ich allerdings, dass Gair eine absolute Ausnahmebegabung in allen Disziplinen zu sein scheint.
Hierzu muss ich kurz auf das magische Konzept des Buches eingehen: Magische Begabung ist nicht so außergewöhnlich. Es gibt nicht wenige Menschen, die den "Sang" hören können, aber die meisten verleugnen ihre Fähigkeiten, um nicht von der Kirche verfolgt zu werden. Wer ausgebildet ist, kann den Sang kontrollieren und für sich nutzen. Ohne Ausbildung kann der magisch Begabte aber großes Unheil anrichten, wenn der Sang außer Kontrolle gerät. Es gibt verschiedene magische Richtungen: Die Heilkraft, die Beherrschung der Elemente (Feuer, Wasser, Erde, Luft) und das Gestaltwandeln. In der Regel haben die meisten Menschen nur eine Begabung für eine bestimmte magische Richtung, sie sind entweder Heiler oder beherrschen eins der Elemente. Das Gestaltwandeln ist sehr selten und es gibt nur wenige Magier, die sich in einen Vogel oder Wolf verwandeln können.
Gair scheint nun, abgesehen von der Heilkunst, in allen Elementen und sogar im Gestaltwandeln die gleiche große Ausnahmebegabung aufzuweisen. Nicht nur dass er das Talent für alle Elemente mitbringt, er verfügt obendrein auch noch über diese überaus seltene Gabe des Gestaltwandelns. Für mich ist es immer etwas schwierig, mich mit einem solchen Wunderkind zu identifizieren - ich bevorzuge die Helden "mit Fehl und Tadel". Es wirkt einfach schnell übertrieben, wenn ein junger Mensch, der gerade am Anfang seines Lebens steht, so viel mehr zustande bringt als seine Lehrer und erfahrene Magier. Elspeth Cooper hat es gerade noch geschafft, Gair genügend Schwächen mitzugeben, damit er als Mensch aus Fleisch und Blut durchgeht und den Leser nicht durch zu viel Perfektion verprellt.
Die Kirche, die die Magier mit solch großem Nachdruck unnachgiebig verfolgt, ist ganz klar an die christliche/katholische Kirche des Mittelalters angelehnt (auch wenn die große Masse der Hexenprozesse erst nach der Reformation stattfand, aber das lassen wir mal dahingestellt). Der Präzeptor entspricht dem Papst, der "wahre" Glaube wird mit Feuer und Schwert verbreitet und Andersdenkende und vor allem Andersgläubige gibt es nur im Verborgenen. Die immer wieder zitierte Passage aus dem Buch Eador "Einen Hexer oder eine Hexe sollst du nicht leben lassen." stammt fast wörtlich aus der Bibel, aus dem Buch Exodus.
Das Buch steigt mit dem Hexenprozess mitten in die Handlung ein - man ist von der ersten Seite an bei der Sache und will wissen, wie Gair aus dieser scheinbar aussichtslosen Situation herauskommt. Danach flacht der Spannungsbogen aber erst mal ab und die Handlung plätschert über viele Seiten vor sich hin, bevor man dann auf den letzten hundert Seiten mit einem wirklich fulminanten Finale für's Durchhalten belohnt wird.
Das klingt jetzt vielleicht nicht so positiv, aber dennoch hat mir das Buch insgesamt gefallen. Die erdachte Welt funktioniert und die Charaktere machen eine glaubhafte Entwicklung durch. Der Schluss lässt natürlich viele Fragen offen, da die Geschichte noch nicht zu Ende erzählt ist. Ich berücksichtige bei meiner Wertung, dass es sich hier um einen Debütroman handelt. Die Geschichte hat definitiv Potenzial und ich denke, die Autorin wird das auch in den Nachfolgebänden voll ausschöpfen.
Ich werte daher mit dreieinhalb Sternen und freue mich schon auf die Fortsetzung, in der die Schwächen des Erstlingswerks wohl nicht mehr zum Tragen kommen werden.