Dan Wells
Tötet uns alle: Die komplette Partials-Saga
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»Tötet uns alle: Die komplette Partials-Saga« von Dan Wells
In einer nicht allzu fernen Zukunft erschafft das Unternehmen ParaGen künstliche Menschen, die an erster Stelle für die Kriegsführung herangezüchtet wurden. Diese Partials sind den Menschen körperlich überlegen und somit die perfekten Krieger in den Isolations-Kriegen. Aber irgendwann ist auch mal jeder Krieg vorbei und dann gilt es zu entscheiden, was mit den nun überflüssig gewordenen Supersoldaten geschehen soll.
Die Lösung ist einfach und brutal, die Partials müssen weg. Nur leider sehen die Partials das anders. So kommt es zum ersten (und einzigen) Partialkrieg, den die Menschheit naürlich verliert. Als letzte Rettung soll ein Virus zum Einsatz kommen den die Partials in sich tragen und der nun gegen sie verwendet werden soll. Aber der Versuch scheitert. Das RM Virus tötet nicht die Partials, sondern die Menschen. Nur wenige zehntausende Immune überleben den Krieg und den Virus. Zusammengedrängt auf einer Halbinsel im Osten der USA, vegetieren die Menschen vor sich hin. Da das Virus auch auf die Neugeborenen übergreift und sie binnen Stunden tötet, steht die Menschheit vor der Ausrottung.
Eine der Überlebenden ist die sechzehnjährige Kira Walker. Sie ist besessen von der Suche nach einem Heilmittel gegen das RM Virus und glaubt, dass ausgerechnet die Partials im Besitz dieses Heilmittels sein könnten. Zusammen mit einigen Geichgesinnten macht sie sich auf um einen Partial zu kidnappen und ihn zu untersuchen. Die Entdeckung die sie macht, scheint ihre Ansicht zu untermauern. Um aber auf Nummer sicher zu gehen, muss sie das Geheimnis der Herkunft der Partials und der Führungsriege von ParaGen, genannt der Trust, lösen – und das Geheimnis ihrer eigenen Herkunft.
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In der Traditon von Maze Runner oder Die Tribute von Panem , müssen sich auch im vorliegenden Buch Tötet uns alle (OT: Partials Sequence: Partials, Fragments, Ruins) wieder eine Unmenge jugendlicher Helden durch ein dystopisches Szenario und einer dem Untergang geweihten Erde kämpfen. Das einzige Manko bei dem Lesevergnügen ist für mich lediglich die Handlichkeit dieses Ziegelsteines von über 1500 Seiten. Das Papier ist hauchdünn, neigt dazu zu verknicken und klebt irgendwie aneinander. Eh man es sich versieht, hat man gleich zwei Seiten auf einmal umgeblättert. Zum Lesen ist dieses Buch (nicht die Geschichte!) wirklich sehr suboptimal.
Die Geschichte des Zufalls
Im Grunde genommen, ist der vorliegende Sammelband ein Buch des verschenkten Potentials, eine konstruierte Geschichte voller bequemer Zufälle. Sie ist sehr auf die eigentliche Handlung und ihrer Protagonistin Kira Walker fixiert und läßt daher leider keinen Blick über den Tellerrand hinaus zu. Wie leben die letzten Menschen und vor allen Dingen, wie lebt eine Kultur, die nur zur Kriegsführung geschaffen wurde, in Friedenszeiten? Viele der Partials entpuppen sich im Verlauf der Geschichte als sehr sympathisch und es wäre sicherlich abwechslungsreicher gewesen, wenn die Zeit nach dem Krieg auch aus der Perspektive dieser Supersoldaten erzählt worden wäre. Leider wurde dies von Dan Wells außen vorgelassen.
Kira, die Heldin der Geschichte, hat bei allem was sie plant zudem einfach zu viel Glück. Über die Befreiung ihres Gefangenen muss sie sich keine Gedanken machen, denn glücklicherweise kann sie diesen, in einem ihr sehr gelegen kommenden Angriff auf Meadows, in Sicherheit bringen. Auch ihre Flucht aus dem Partiallager fällt glücklicherweise mit einem Angriff zusammen, so das sie die fertige Spritze mit dem Heilmittel einfach nur noch einstecken muss. Ganz zu schweigen davon, dass sie von allen Leuten in der verlassenen Stadt ausgerechnet jenen trifft, der sich mit dem Computersystem von ParaGen bestens auskennt. Ein paar Zufälle zuviel.
Alle Jugendlichen kämpfen sich in bester Soldatenmanier durch das Geschehen, nur leider kommt das nicht immer glaubhaft rüber, bedenkt man, dass ihre Gegner keine geringeren als zum Kampf gezüchtete Supersoldaten sind. Diese haben zwar so ziemlich jede Armee der Welt mühelos besiegen können, sind aber offensichtlich nicht dazu in der Lage, gegen die letzten überlebenden Zivilisten und Jugendlichen im direkten Kampf zu bestehen (siehe die Gefangennahme von Samm oder der Kampf der Nashorn Gruppe). Nur die Masse der Partials ist letzen Endes für ihre Überlegenheit auschlaggebend.
Wells hat ein gutes Gespür für spannende Situationen und sein Szenario, von einer im Untergang befindlichen Welt, ist überzeugend. Nur leider kommt das alles viel zu kurz. Für mich hat Wells nicht immer die richtigen Schwerpunkte gesetzt. Die „Stimme“ im ersten Band macht nicht wirklich Sinn. Es kann keine Lösung sein gegen die Regierung zu intervenieren, in dem man die klägliche Anzahl von Überlebenden durch gezielte Terrorakte weiter dezimiert - und dann auch noch behauptet, das alles zum Wohl für eben jene hingemeuchelten Zivilisten zu machen. Auch scheint mir das Ausmaß des Verfalls und der Verwüstung nicht stimmig zu sein. Der Krieg ist gerade mal elf Jahre vorbei, aber dennoch hat sich die Natur bereits weite Teile der Zivilisation zurückerobert. Für solch einen kurzen Zeitraum scheint mir das ein wenig übertrieben zu sein. Positiv ist zu bewerten, dass Wells keine schwarz/weiß Malerei betreibt. Hüben wie drüben gibt es ehrbare und weniger ehrbare Männer und Frauen.
Kann der erste Band noch durch seine Unbekümmertheit, den vielen neuen Protagonisten und einer spannenden Handlung punkten, so fällt der zweite Band hingegen stark ab. Sind der Anfang und das Ende noch gut zu lesen, so ist der Mittelteil dafür um so langweiliger. Endlose, sich wiederholende Reisebeschreibungen durch ein verwüstetes Amerika. Kira und Co gelangen nach A, reisen weiter nach B, dann nach C, müssen zurück nach B um dann weiter nach D zu gelangen. Dazu jede Menge ermüdender Diskussionen über das immer gleiche Thema zwischen Kira und der Agentin Heron und das mantramäßige Herunterleiern der immer gleichen Argumente. Wen will Dan Wells damit eigentlich überzeugen? Seine Protagonisten oder seine Leser?
Auch Kiras Suche nach dem Trust und seinen Mitgliedern wird künstlich in die Länge gezogen. Das RM Virus, die Seuche, der Sicherheitsschalter, das Ablaufdatum und das Pheromonsystem der Partials, allem wird eine große Bedeutung beigemessen, obwohl sich alles im Nachhinein als nur halb so wichtig entpuppt. Die Lösung beider Probleme, der Sieg gegen das RM Virus und der Kampf gegen das Ablaufdatum der Partials, liegt ganz woanders. Das bloße Zusammenleben zwischen beiden Kulturen ist die Lösung - unabhängig von irgendwelchen großartigen wissenschaftlichen Forschungen. Der plakative Fingerzeig des Autors auf den Garten Eden, soll dann auch den letzten Zweifler unter den Lesern endgültig auf die richtige Spur bringen. Wells bauscht hier unnötigerweise etwas auf. Vermutlich möchte er den Eindruck eines großen übergeordneten Handlungsrahmen erwecken. Dem ist aber nicht so. Irgendwann hat diese ganze Thematik dann nur noch die Konsistenz von breitgetretenem Quark.
Der dritte Band vermag Anfangs ebenfalls nicht zu punkten. Die Handlung wird zunehmend unübersichtlicher, Menschen kämpfen gegen Menschen und gegen die Partials und die Partials untereinander gegen ihresgleichen. Mittendrin eine Frau mit einer Atombombe und ein monströses Wesen mit einer ominösen Nachricht. Um das Chaos perfekt zu machen, tritt ein weiterer Protagonist auf den Plan, der Blutmann. Beide, Blutmann und Monstrum, dienen jedoch lediglich der Effekthascherei. Da Wells sich aber offensichtlich vorgenommen hatte jedem Trust-Mitglied einen Auftritt zu gönnen, war die Identität der Beiden daher keine große Überraschung und ihr Auftritt für die Handlung im Prinzip verzichtbar.
Erst gegen Ende hin nimmt die Geschichte wieder an Fahrt und (sinnvoller) Handlung auf. Der ganze Komplex wird zu einem logischen Ende geführt und weiß mich, auch wenn ich da schon von Rührseligkeit und dem Hauch von Happy End umfangen war, durchaus zu überzeugen. Es ist ein versöhnliches Ende, das sehr wohl auch in der heutigen Zeit von Relevanz ist.
Was bleibt?
Der vorliegende Dreiteiler ist eine durchaus spannende und unterhaltsame Angelegenheit, wenn auch um ein paar hundert Seiten zu lang. Der Schreibstil ist ansprechend, die Handlung nachvollziehbar. Ich mag dystopische Geschichten und Dan Wells hat hier alle Register gezogen und eine solche vorgelegt – wenn auch nicht viel innovativer als die seiner schriftstellerischen Kollegen. Wer auf knackige junge Helden und Heldinnen in ihrer Selbstfindungsphase steht, wird mit dem vorliegenden Buch seine Freude haben.