Andy Weir
Der Marsianer
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»Der Marsianer« von Andy Weir
Das Andy Weirs SF Drama Der Marsianer (OT: The martian) einmal so hoch oben auf der Erfolgswelle schwimmen würde, hätte sich der gebürtige Amerikaner wohl auch nicht einmal ansatzweise träumen lassen. Nachdem Weir bei verschiedenen Verlagen mit dem Manuskript für das Buch abblitzte, entschied er sich dafür, sein Werk, Kapitel für Kapitel, auf seiner Homepage zu veröffentlichen – kostenlos und mit großem Erfolg. So groß, dass er sich auf drängen seiner Fans dazu entschloss, den Roman komplett auch als E-Book für 99 Cent zu veröffentlichen. Kurze Zeit später, erschien das Werk dann zum ersten Mal auch als gedruckte Ausgabe im Del Rey Verlag in der Verlagsgruppe Random House, Inc..
Als was wurde Der Marsianer nicht schon alles bezeichnet. Als Castaway auf dem Mars oder MacGyver meets Robinson. Aber all das, kann dem gestrandeten Astronauten Mark Watney natürlich egal sein. Von seiner Besatzung als tot und verschollen auf dem roten Planten zurückgelassen, besteht seine vordringlichste Aufgabe ersteinmal im Überlebenskampf. Nahrung muss her, Wasser, Sauerstoff und vor allen Dingen eine Verbindung zur Erde. Sollte das alles zu finden sein, besteht möglicherweise die Aussicht auf Rettung, denn schlappe 5 Jahre später, kommt auch schon die nächste Mission um den Mars weiter zu erforschen, welche ihn dann auch gleich wieder mit zur Erde zurücknehmen könnte – theoretisch zumindest. Nur, dazu muss die Erde halt erst einmal Bescheid wissen das er noch lebt. Als gelernter Biologe und Ingenieur dürfte es für Watney aber doch wohl kein Problem sein sich das alles zu besorgen, oder? Und wenn alle Stricke reißen, hat er ja immer noch seine Disco Musik und seine alten TV-Serien.
Für einen Technik- und IT-Spezialisten wie Weir, ist die Handlung natürlich ein gefundenes Fressen. Für manche Leser könnte sie sich aber auch als eine Spur zu technisch und zu detailverliebt erweisen. Es ist mit Sicherheit nicht jedermanns Sache, den Erklärungen und Ausführungen des gestrandeten Astronauten in seinem Logbuch zu folgen. Man muss Weir aber auf alle Fälle zugute halten, dass er sich auf eine bereits vorhandene Technik und auf altbekannte wissenschaftliche Praktiken beruft. Weir schüttelt kein (außerirdisches) As aus dem Ärmel oder greift auf eine, bei SF Schriftstellern leider häufig anzufindende, deus ex machina zurück. Alles bleibt bei ihm im Rahmen der vorhandenen Tatsachen – und genau das, macht die Geschichte dann, für den Rest der Leser, auch so lesenswert und kurzweilig.
Die Handlung, immer hin und her springend zwischen den Erlebnissen von Watney auf dem Mars und den Aktionen zur Rettung des Gestrandeten im Kommandozentrum der NASA auf der Erde (natürlich ist man dort aufgrund von Satellitenbildern auf Watney aufmerksam geworden), bleibt übersichtlich und spannend. Watney selber ist einfach nicht kleinzukriegen und behält, auch nach vermeintlich schweren Rückschlägen, stets seinen Humor und seinen Optimismus. Das ist dann aber auch schon die ganze Palette an Gefühlen die Weir seinem Leser zumutet. Ob Watney irgendwann depressiv wird oder nachts in sein Kissen heult, bleibt ungewiss. Und das ist auch gut so. Die Tagebucheintragungen die Watney für die Nachwelt festhält, sollen dieser nicht seine eigene Gefühlslage wiederspielgen, sondern nachfolgenden Missionen vielmehr als sachliche Anhaltspunkte und Missionsbericht dienen. Denn Watney ist immer noch Astronaut im Dienst der NASA und hat seine Aufgabe zu erfüllen - gestrandet oder nicht.
Seine Ausbildung, natürlich dramaturgisch genau passend auf die Situation abgestimmt, befähigt ihn dazu, den Überlebenskampf erfolgreich aufzunehmen. Kaum auszudenken was passiert wäre, wenn ausgerechnet der Pilot Martinez oder die IT Spezialistin Johannsen, beide ohne Erfahrung in der Botanik, auf dem Mars gestrandet wären. So gesehen hat es sich Weir hier zwar etwas leicht gemacht, sonst aber seinen Protagonisten nach allen Regeln der Kunst gefordert und ihm einen Rückschlag nach dem anderern verpasst - wobei man jedoch festsstellen muss, dass nicht der Mars selber, sondern vielmehr die Zeit an sich, der wahre Gegner von Watney ist.
Immer wieder taucht bei mir als Leser unterschwellig auch die Frage auf, was ein Menschenleben wohl wert ist, bzw. was man bereit ist dafür auszugeben um es zu retten. Kann man ein Leben überhaupt in Geld bemessen oder sind all die Millionen von Dollar, Euro oder Yen einfach nur Verschwendung? Ist Mark Watney es tatsächlich wert, dass China sein Welraumprojekt aufgibt um die Trägerrakete den Amerikanern zur Verfügung zu stellen? Und das Watneys Kollegen auf ihre wohlverdiente Heimreise und ihre Familien verzichten und statt dessen noch ein paar hundert Tage dranhängen, sich auf einem Rückkehrkurs zum Mars begeben um ihren gestrandeten Kollegen zu retten? Darf man das Leben von fünf Astronauten mutwillig in Gefahr begeben um einen der ihren zu retten?
Egal wie die Antwort auch lautet, eines ist gewiss: Durch die gemeinsamen Anstrengungen und durch das länderübergreifende mitfiebern und –leiden, rückt die Welt wieder etwas näher zusammen. Wenn es das ist was die Menschheit braucht um gemeinsam an einem Strang zu ziehen, dann sind die Millonen nicht vergeblich ausgegeben worden. So mag es daher auch nicht verwundern, wenn sich das Buch nicht nur als Survival Training Anleitung liest, sondern auch als ein Lobgesang auf die niemals müde werdende und stets um das Wohl ihrer Astronauten besorgten NASA - und somit irgendwie auch als Appell für die bemannte Raumfahrt.
Wer Interesse an solchen Astronautenabenteuern in Near Future Szenarien gewonnen hat, dem seien neben den bekannten Werken, u. a. von Stephen Baxter (Mission Ares / Titan ) oder den Plantenbüchern von Ben Bova (Mars, Venus, Jupiter, Saturn ), auch die eher unbekannten Werke, wie Edward Gibsons Bücher Sternenheld und Sternenreise , Paul Preuss’ Projekt Starfire oder Gordon R. Dicksons Der ferne Ruf , empfohlen. Die Liste ließe sich noch ellenlang fortsetzen.
Der Marsianer jedenfalls überzeugt mich durch eine packende und jederzeit spannende Story, einem sympathischen Helden (wider Willen) und einem ungemein realistischen Szenario.