Edward Lee
Incubus
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Veronica Polk ist eine aufstrebende Künstlerin. Auf ihrer letzten – erfolgreichen – Ausstellung lernt sie Erim Khoronos kennen, einen charismatischen und reichen Kunstliebhaber, der sie auf sein Anwesen zu jährlich statt findenden „Exerzitien“ einlädt. Erfreut von dem Angebot und verwirrt von seiner Ausstrahlung sagt sie zu und trennt sich von ihrem Freund Jack. Für diesen ist die Trennung wie ein Schlag ins Gesicht. Noch dazu steckt er als leitender Ermittler mitten in einem alptraumhaften Fall: Junge, schöne und künstlerisch begabte Frauen werden regelrecht abgeschlachtet. Der Täter scheint aber kein Psychopath zu sein, ganz im Gegenteil scheint er die Frauen trotz seiner blutigen Vorgehensweise zu lieben und zu verehren. Während Veronica abgeschottet von ihrer Umwelt sexuelle und spirituelle Erfahrungen macht, versinkt Jack im Alkohol – aus Trauer wegen der Trennung und wegen des Falls, bei dem seine Vorgesetzten ihm die Hölle heiß machen. Bis er irgendwann die Eingebung hat, dass Veronica in Gefahr sein könnte.
Das Buch ist weniger Horror als Thriller, aber auch dieser ist weniger mitreißend als ich von einem Autoren wie Edward Lee erwartet hätte. Aufgegliedert ist die Geschichte in mehrere Plots: Die mysteriösen Mordfälle, in denen man immer nur die Szenen kurz vor den Morden an sich erlebt (junge Frau nimmt einen unbekannten, natürlich absolut sexy Mann mit nach Hause und vergeht beinahe vor Lust). Dann Veronica, die zusammen mit zwei anderen Künstlerinnen die Exerzitien „erlebt“ (ebenfalls mit zwei mehr als umwerfenden sexy Männern, die für die weniger künstlerische Ablenkung zuständig sind). Und zu guter Letzt Jacks Leben: Seine Arbeit als Ermittler, seine regelmäßigen Abstürze in der Stammkneipe und eine erste zaghafte Annäherung an seine neue Kollegin. Leider sind die Protagonisten alle recht klischeehaft. Es gibt kaum noch Thriller, in dem der Ermittler keine wie auch immer gearteten Probleme hat. Hier ist es Trennungsschmerz und Alkohol. Veronica ist eine eher lebensunerfahrene Frau, die vor der Beziehung mit Jack zurückgezogen lebte und jetzt „Erfahrungen“ machen will, um sich selbst zu verwirklichen.
Die Parts des Buches, in der die Morde und Jack im Vordergrund stehen, haben mir recht gut gefallen, hier kam auch eine gewisse Spannung auf. Edward Lee hat nicht bis ins kleinste Detail die Szenerie beschrieben, nur andeutungsweise – dies hat mein Kopfkino auf Touren bringen können. Aber dies gefiel mir auch besser, als den Mord bzw. den Tatort bis ins Letzte beschrieben zu sehen. Auch Jacks Kampf gegen sich selbst und den Alkohol war recht gut beschrieben. Die Szenen auf Khoronos‘ Anwesen dagegen fand ich langweilig und banal: Selbstverwirklichung durch Sex und pseudo-philosophische Gespräche – hier habe ich zumeist quergelesen. Unterbrochen wurden diese Erzählstränge nur durch die Rechercheergebnisse von Jacks Assistentin: Informationen zu Sekten und Dämonen. Dies und ein letztes Szenario kurz vor dem Ende waren auch die einzigen Stellen, die mit Horror zu tun hatten.
Auch sprachlich konnte mich der Autor nicht wirklich fesseln. Oftmals bin ich durch den Schreibstil so „in“ der Geschichte, als würde ich alles miterleben. Hier passierte das leider nicht, ich blieb eine außenstehende Beobachterin. Mitfiebern oder -leiden konnte ich bei keiner Szene. Einzig das Ende bot eine nicht vorhersehbare Wendung, die mir sehr gut gefiel.
Fazit:
Wer hier Horror erwartet, wird eher enttäuscht. Auch Liebhaber von Splatterszenen kommen nicht auf ihre Kosten. Von den eher guten Kritiken zu Edward Lees Büchern hatte ich an „Incubus“ andere Erwartungen. Trotzdem werde ich mein Glück auch bei anderen Büchen des Autoren versuchen.