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Andreas Brandhorst

Das Kosmotop

  • Autor:Andreas Brandhorst
  • Titel: Das Kosmotop
  • Serie:
  • Genre:SF
  • Einband:Paperback
  • Verlag:Heyne Verlag
  • Datum:09 Juni 2014
  • Preis:14,99 EUR

 
»Das Kosmotop« von Andreas Brandhorst


Besprochen von:
 
Detlef V.
Deine Wertung:
(4)

 
 
Corwain Tallmaster ist ein Friedensstifter Von seinen Arbeitgebern, den Völkern der Kompetenz, wird er an die Orte geschickt, an denen Unfrieden herrscht oder sich schwierige Verhandlungen anbahnen. Bei einem dieser Ausseneinsätze zieht er sich den Zorn des Mahe Duha Sibal zu. Diese erhebt nicht nur schwere Vorwürfe gegen Corwain, sondern schwört zudem, nicht eher zu ruhen, bis er Tallmaster getötet hat.

Die einzige Möglichkeit seine Unschuld zu beweisen, besteht für Corwain darin, von der angesehenen Veritas Rahel Kinmaster entlastet zu werden. Nur, Rahel befindet sich an Bord eines riesigen außerirdischen Weltenschiffs, des Kosmotops. Corwain macht sich nun auf, Rahel ins Kosmotop zu folgen. Aber er ist nicht der einzige. Da das Kosmotop ein Quell an unglaublicher Macht und Wissen ist, befinden sich auch die außerirdischen Incera und Mahe, keine Mitgliedsvölker der Kompetenz, auf der Suche nach der Schaltzentrale des Kosmotop.

Ihre Anliegen ist es, das Kosmotop einen Sprung in den Kern der Galaxis ausführen zu lassen. Aufgrund der unglaublichen Masse des Weltenschiffs, würde es daraufhin im Kern zu einer gewaltigen Katastrophe kommen, die die Koryphäen, Maschinenintelligenzen die im Kern der Galaxis beheimatet sind, auslöschen würde. Das würde einen schweren Schlag für die Kompetenz bedeuten und den Weg für die kriegrischen Incera und Mahe frei machen.

Um das zu verhindern, schicken die Kompetenz und die Koryphäen selber Abgesandte ins Kosmotop um Verhandlungen mit den Machthabern aufzunehmen. Das entpuppt sich jedoch als recht schwierig, da vor Jahrtausenden ein Krieg zwischen den im Kosmotop lebenden Rassen ausgebrochen ist und die eigentlichen Machthaber entweder tot oder untereinander völlig zuerstritten sind.

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Es ist gar nicht mal so einfach eine adäquate Inhaltsangabe zu dem neuesten Werk aus der Feder von Andreas Brandhorst zu schreiben. Wie schon aus anderen Büchern von ihm gewohnt, liefert er auch hier wieder sehr komplexe Weltenentwürfe, viele parallele Handlungsstränge und eine Unmenge an Protagonisten.

Alles beginnt mal wieder mit der mittlerweile für mich schon fast legendären Brandhorst’schen Anfangsverwirrung des Lesers, wenn er mich, gespickt mit einer Litanei von Fach- und Fremdwörtern und zahlreichen „Worteigenkonstruktionen“, in ein schon seit Jahrtausenden existierendes Universum wirft, für das zu Begreifen er mir als Leser aber gerade mal 10 Seiten zugesteht.

Ich werde zugeschmissen mit Dingen wie Koryphäen-Technik, Pattern-Master, Enha-Entalen, Emergenzen, Quantenmembranen oder Membrankonnektoren. Das liest sich zwar recht technisch oder halt einfach nur SF-mäßig, aber mir wäre es doch lieber, wenn er mit der Kreation von solch verschwurbelten Begriffen aufhören würde. Denn was soll ich machen, wenn ich über diese Begriffe stolpere? Im Glossar nachschlagen? Dann geht mir der Lesefluss verloren. Oder einfach überlesen in der Hoffnung, dass es später im Text selber erklärt wird? Dann verstehe ich aber erstmal nur Bahnhof. Eine kleine Zwickmühe, die ich teilweise als sehr ärgerlich empfinde, da ich der Meinung bin, dass dies nicht zwingend sein muss.

Das Feuerwerk, das Brandhorst mir nach meiner „Eingewöhungsphase“ dann jedoch abliefert, ist wirklich einmalig. Er versteht es unglaublich gut den Leser zu fesseln, Erwartungen zu wecken und Handlungsstränge, von denen man gar nicht erwartet hat, dass sie irgendwann einmal tatsächlich zusammenlaufen, gekonnt zu verknüpfen. Ganz großes Kino. Brandhost muss sich wirklich nicht vor seinen hochgelobten amerikanischen und englischen Gegenstücken verstecken.

Ab und an frage ich mich schon, ob es sich bei seinen Büchern einfach nur um Unterhaltung handelt, oder ob er irgendwelche tiefgründigen Aussagen in ihnen versteckt. Es ist schon bezeichnend, dass ausgerechnet die Kompetenz, immer auf Frieden und Einigkeit bedacht, in den Krieg ziehen muss, um eben jenen Frieden zu bewahren. Aber wenigstens macht sie es dann auch und versucht nicht die Sache auszusitzen oder sich in nichtsbringenden Verhandlungen zu verzetteln. Wäre vielleicht nicht schlecht, wenn die UN sich das auch mal zu Herzen nehmen würde und da eingreift, wo es zur Zeit brennt.

Auch interessant, dass die Koryphäen, mächtige Maschinenintelligenzen, offenbar immer menschlicher werden, je weiter sie sich von den Menschen fortentwickeln. Klingt paradox, ist aber so - und auch schon in den Büchern von Neal Asher oder Iain Banks zu beobachen. Brandhorst geht sogar noch einen Schritt weiter und verpasst einer der Koryphäen einen echten Gotteskomplex. Eine Koryphäe nimmt menschliche Gestalt an und opfert sich anschließend für die Menschheit um dann, quais nach ihrem Tod, wieder zum Vater zu gehen. Zumindest mir kommt die Geschichte bekannt vor. Da war doch mal etwas mit Jesus, seinem Tod am Kreuz und der anschließenden Auferstehung und Heimkehr zum Vater. Da soll mal einer sagen, dass die Bibel nicht ein Quell an Inspiration sein kann.

So phantasievoll und inspirierend die Geschichte auch ist, ist sie gleichzeitig aber auch etwas zu überfrachtet. Nicht nur die Anzahl der handelnden Völker und Personen geht ins unermessliche, auch die einzelnen Handlungsstränge verzetteln sich ab und an. Wer jetzt gerade die Kontrolle über das Kosmotop hat und wer mit wem eine Allianz eingegangen ist, bleibt nur schwer überschaubar, da alle naselang irgendwer gegen irgendwen in den Kampf zieht.

Ich mag in der Regel Bücher die damit beginnen, dass der Protagonist zu seiner eigenen Beerdigung erscheint. Da hat Tallmaster genug Erfahrung sammeln können, denn er hat schon über ein Dutzend mal das Zeitliche gesegnet. Was ich mich dabei jedoch frage, ist wieviel ICH des ursprünglichen Individuums sich wohl noch in der X-ten Kopie seines Selbst wiederfindet. Was ist mit seinen Erinnerungen, ja, seiner Identität? Schafft es sein Gehirn noch Szenen aus seiner Kindheit, seiner Jugend, die erste Liebe, Vater und Mutter zu konservieren, wenn das Leben schon weit über 1000 Jahre beträgt? Oder gehen diese Erinnerungen verloren? Sind wir nicht mehr als die Summe unserer Erinnerungen? Die Verwandlung von Corwain jedenfalls, seine Abkehr vom Mann des Wortes hin zum tödlichen Terminator, wirkt aber durchaus glaubhaft. Seine Sorge um seine Lebensgefährtin läßt fast keine andere Entwicklung zu.

Da sich Brandhorst mittlerweile als äußerst fleißiger Autor entpuppt, liegen zur Zeit bereits zwei neue Bücher in den Verkaufsregalen. Wenn diese auch nur annähernd so unterhaltsam sind wie Das Kosmotop, kann ich jedem Leser nur raten, schnell zuzugreifen. Das vorliegende Buch jedenfalls ist sehr unterhaltsam, flott geschrieben, ungemein kurzweilig und daher sehr zu empfehlen.
 


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